Die Elternvereinigung FAPA Gabriel Miró hatte zum Protest gegen das „Ley del Plurilingüismo“ (Mehrsprachengesetz) aufgerufen, weil dieses Gesetz nicht die Mehrsprachigkeit fördert, sondern die Verdrängung des Spanischen aus dem Unterricht beabsichtigt. In der Provinz Alicante als Teil der Comunidad Valenciana spricht die überwältigende Mehrheit nur Spanisch und gar kein Valenciano, kein Wunder, dass sich der Protest zunächst hier am heftigsten formiert. Es ist, als ob in Hamburg der Unterricht auf Schwyzerdütsch erteilt werden muss.
Die Hauptdemonstration fand Samstag in Orihuela statt, zum Teil waren die Demonstranten mit Bussen angereist und füllten die Straßen zur größten Manifestation, die der Ort je gesehen hatte. In 12 weiteren Städten der Comunidad Valencia fanden Kundgebungen zur Untersützung statt, wie hier auf dem Bild aus Valencia mit den Forderungen: „Freiheit der Sprachwahl“, „Stop der Sprachdikatur“, „Die Familien sollen entscheiden und nicht die Politiker“, „Spanien ohne linguistische Hindernisse“
Diese Demonstationen und Kundgebungen wurden zum Teil von den konservativen Parteien PP[1] und CS[2] sowie von der ultrarechten VOX unterstützt. Für einige ein Grund, diese Demonstrationen als rechts, ultrarechts oder gar faschistisch zu beschimpfen.
Das Mehrsprachengesetz, von den Eltern Betrugssprachengesetz genannt, ist von der valencianischen PSOE mithilfe ihres rechtsextremen Koalitionspartners (Bloque Nacionalista Valenciano) und Compromís (Grüne) im valencianischen Parlament durchgeboxt worden. Dieses kontrademokratische Gesetz ist somit zweifelsfrei auch eine Forderung der parlamentarischen Linksparteien.
Man muss sich aber fragen, warum dann in Galicien, wo die PP an der Regierung ist, die gleiche Sprachdiktatur herrscht. Entgegen der Verfassung wird hier von der Provinzialregierung monolingual auf Galicisch kommuniziert und die spanische Sprache verdrängt. Die Politik der PP ist hier durchaus mit der der PSOE vergleichbar.
In den Wahlprogrammen der PP und von Cs fand sich dementsprechend auch keine Forderung für die Freiheit der Wahl der Sprache. Es ist stattdessen in unterschiedlichen Maßen davon die Rede, wiev der Anteil Valenciano und Spanisch im Unterricht der Comunidad Valenciana organisiert werden soll. Also nichts mit freier Wahl, denn das könnte eben auch 100% Spanisch oder 100% Valenciano bedeuten. Die Forderungen dieser Parteien sind nicht wirklich hilfreich im Bemühen um die Freiheit der Eltern zur Wahl der Unterrichtssprache für ihre Kinder und sollen eher von diesem Ziel ablenken.
Die PSOE[3] tritt in den autonomen Gebieten mehr oder weniger versteckt separatistisch oder mit Sympathien für den Separatismus auf. Im Gegensatz zur nationalen PSOE. Die regionalen Sozialdemokraten unterstützen in diesem Zusammenhang teils die Sprachdiktatur mit skurriler Wortwahl, in dem sie von „Förderung“ der Regionalsprachen reden.
Die Separatisten selbst nutzen die Sprachenproblematik vor allen in den Schulen dafür, die Schüler für ihre Ideologien zu indoktrinieren. So will die valencianische Regierung den Schülern einreden, ihre Muttersprache sei Valenciano, obwohl die Mehrheit spanischsprachig ist.[4] In Katalonien hat die Regierung längst eine Sprachdiktatur eingerichtet, die der der Franco-Ära ähnelt, nur umgekehrt. Jetzt wird nicht Katalan an den Rand gedrückt, sondern Spanisch.
Nationalismus als Idee kam mit der französischen Revolution auf und richtete sich gegen den Feudalismus. Einigendes Band war nun mehr oder weniger eine gemeinsame Kultur, eine gemeinsame Sprache. Insofern kann man Nationalismus durchaus als linke Idee betrachten.Fußnoten
Die negative Seite eines übertriebenen Nationalismus kann man mit Beginn des ersten Weltkrieges betrachten, wo sich Menschen den Schädel nicht mehr für Kaiser, Gott und Vaterland einschlugen, sondern im Namen einer Nation, eines Staates. Nur linke Minderheiten in allen Staaten hatten sich zu dieser Zeit gegen diesen kriegerischen Nationalismus ausgesprochen.
Die Staaten in Westeuropa sind nicht unbedingt einheitlich mit den Nationen, Kulturen und Sprachgemeinschaften. In Deutschland haben wir beispielsweise dänische und sorbische Minderheiten, in Spanien finden wir Katalanen, Galicier etc. Groß Britannien kennt Schotten, Iren und Waliser. In Osteuropa ist das Gemisch teilweise noch bunter, wie man in Rumänien oder Ungarn sehen kann.
Heute spielen die europäischen Staaten (mit Ausnahme Russlands) längst keine entscheidende Rolle mehr. Die Welt wird seit dem 2. Weltkrieg von den USA beherrscht und China macht ihnen mehr und mehr diese Rolle streitig. Wir werden wohl in Kürze von einer bipolaren, vielleicht sogar multipolaren Welt sprechen müssen, in der es hoffentlich nicht wieder zum Krieg kommen wird.
Nationalismus in Europa, ob links oder rechts betrachtet, spielt da nur noch insofern eine Rolle, als staatliche Grenzen eine notwendige, wenn auch begrenzte Wirkung für Gesetze haben. Sicherheit, Umweltschutz, Arbeitsschutz, Grenzschutz etc. seien da nur als Beispiele genannt und ergänzt durch die Bemerkung, dass wir einen Schutz gegen die globalen, jetzt vor allem auch digitalen Konzerne benötigen, die nicht so wie wir, meistens sogar fast keine Steuern bezahlen.[5]
Wer in dieser Situation in Europa das Primat der Politik auf die Abtrennung von Nationen und/oder Volksgruppen aus den existierenen Staaten verlangt, muss sich vorwerfen lassen, nur denen zu dienen, die davon leben, das Volk zu spalten und von wichtigen Problemen abzulenken. Divide et impera.
Unter diesem Gesichtspunkt weigere ich mich, den spanischen Nationalismus oder regionalen Separatismus mit links oder rechts zu etikettieren. Möge sich jeder selber fragen, wie hilfreich diese beiden Kategorien in der Beurteilung dieser Konflikte sind.
Ich weiß, dass Sprachdiktate nur einem übertriebenen Nationalismus dienen. Dagegen zu sein ist demokratisch.
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