Auf meinen letzten Beitrag „25% Valenciano - Eltern nicht gefragt!“ gab es eine ungewohnt hohe Anzahl an Kommentaren. Einige davon verblüffen durch völlig faktenfreie Beiträge oder schlichte Beschimpfungen. Andere reagieren durchaus dankenswerterweise sachlich auf diese Einwürfe. Ich kommentiere in der Regel nicht in diesen Medien. Es scheint mir aber sinnvoll, einmal mit einigen Hinweisen auf Fakten zu helfen.
Im folgenden zitiere ich vor allem einige Beispiele aus einer englisch- und einer deutschsprachigen facebook-Gruppe aus der unmittelbaren Umgebung meines spanischen Heimatortes und beginne mit den Beschimpfungen, die einem Fußtritt „Raus hier!“ gleichen.
Ich bin es leider gewohnt, bei Demonstrationen für die freie Wahl der Sprache von extremistischen PSOE und Compromís (Grüne) Anhängern als Faschist beschimpft zu werden. Ich möchte hier nur drei „nettere“ Kommentare zitieren.
* „Wenn Dir Valencia nicht gefällt, Spanien ist groß, zieh nach Murcia“
* „Man muss schon sehr ignorant sein, um sich darüber zu beschweren. Wenn es Dir nicht gefällt, hau ab und Problem gelöst“
* „Als Du hierher gezogen bist, hast Du doch gewußt, dass hier Valenciano gesprochen wird.“
Die Mehrheit der Valencianer ist muttersprachlich Spanisch. Da ist diese Aufforderung von Migranten an Einheimische, die Heimat zu verlassen, schon etwas verstörend. Wie begeistert werden Familien (Nationalspanische Verwaltungen, Militär, Nationalpolizei etc.) sein, die beruflich hierher versetzt wurden?
Ich bin vor 26 Jahren mit Familie hierher zum Arbeiten gezogen. Ein Sprachen-Problem war damals nicht erkennbar. Mein ältestes Kind studierte in Valencia, mein jüngstes musste dafür nach Madrid, denn da hatte durch politischen Umschwung ein Valenciano-Zwang an der Uni eingesetzt. Es wurde mit der Herrschaft von politischen Strömungen, die mehr als zwei Geschlechter „kennen“, die Gendern, Wokeness und Cancel Culture1 propagieren, immer schlimmer.
Dieses Zitat
„Die Vorgaben für die Sprachen in der Schule wurden von der Regierung erlassen, und diese wurde von den Bürgern des Landes Valencia gewählt.“
soll für einige Beiträge stehen, die sagen, es sei doch alles demokratisch gelaufen, das sei nunmal so in einer repräsentativen Demokratie.
Nun kann man bezüglich einer solchen Demokratie verschiedener Meinung sein, zumal es die in verschiedenen Varianten2 gibt. In Deutschland sind wir es gewohnt, dass die Politiker vor der Wahl alles Mögliche versprechen und nach der Wahl machen was sie wollen. So war es auch bei der letzten Wahl in Valencia bezüglich des Sprachzwangs.
Vor der Wahl hatten die jetzt regierenden Parteien PP und VOX versprochen, dass sie die Forderungen nach freier Sprachwahl der Eltern für die Unterrichtssprache umsetzen werden. Kaum gewählt, schon schreiben sie wieder den Eltern, also ihren Wählern, vor, wie der Unterricht auszusehen hat.
Ich finde das Schweizer Demokratiemodell mit Volksbegehren demokratischer. Da hätte schon 2018 auf die 500.000 Unterschriften (= 10% der Bevölkerung) für eine freie Sprachwahl, gesammelt von der Organistion Hablamos Español, reagiert werden müssen.
Stimmt und stimmt auch nicht! Warum schlägt in Europa niemand vor, in der Schule Kisuaheli3, Hindi4 oder Ainu5 zu lehren? Schadet doch nicht, oder?
Offensichtlich gehen alle Eltern davon aus, dass ihre Kinder etwas Nützliches lernen sollen. Man kann durchaus unterschiedlicher Meinung sein, was nützlich ist und was nicht. Ich habe vollstes Verständnis für die Eltern, die wollen, dass ihre Kinder in ihrer Muttersprache Valenciano unterrichtet werden, denn in seiner Muttersprache lernt es sich am leichtesten. Auch kann man in einer fremden Sprache seine Gefühle nicht so gut ausdrücken. Mehrheitssprachen 6 haben manchmal einen negativen imperialen Charakter und das Aufrechterhalten lokaler Kulturen und Sprachen dient dem entgegen. Kulturelle Vielfalt ist nicht prinzipiell negativ. In Spanien können und könnten die lokalen Sprachen und Traditionen gut koexistieren. Das verstehe sicher nicht nur ich positiv.
Bei der Beurteilung, welche Fremdsprache (Spanisch ist hier keine Fremdsprache!) nützlich sein wird, kann man natürlich nur vermuten. Offensichtlich hat Englisch bei Spanisch- und Valencianosprechern als die führende Weltsprache Vorrang. Ohne Valencianozwang könnten sich Spanischsprecher für eine weitere Fremsprache wie z.B. Französisch entscheiden.
Mehr Französischlehrer wären ein finanzielles Problem? Ich behaupte, ein Grund für den Sprachzwang und den Streit darüber ist gerade, dass verhindert werden soll, über die Verwendung unserer Steuern informativ zu diskutieren. Auch das entscheiden die Politiker in einer repräsentativen Demokratie nach den Wahlen.
Ein Kind, das kein Valenciano beherrscht, möchte später in einem Beruf tätig werden, wo Valenciano verlangt wird? Da gilt durchaus: Mehrere Sprachen lernen schadet nicht! Wer Spanisch und Französisch spricht, für den ist Valenciano ein Kinderspiel und wer hier im ländlichen Raum aufgewachsen ist, hat auf der Straße sowieso schon viel mitbekommen.
Da wird der Valencianozwang nicht so stark ausgeübt, heißt es auch in den Kommentaren. Wer kann das bezahlen? Schon vor 3 Jahren schrieb ich einen leicht satirischen Artikel: Wenn Du arm bist, brauchst Du kaum Spanisch als Reaktion auf den damals zunehmenden Valenciano-Sprachzwang
Brandenburg hat ca. 2,5 Mio Einwohner, die Comunidad Valencia ca. 5 Mio. In Brandenburg leben ca. 20-30.000 Sorben mit ihrer Muttersprache Sorbisch. In Valencia wird der Anteil der Valenciano als Muttersprache angibt, auf ca. ein Drittel (2 Mio) geschätzt.7
Die brandenburgische Verfassung kennt keine offizielle Amtssprache. Sie ist auf Deutsch verfasst. Sie notiert u.a. in Artikel 25 Absatz 3: „Das Recht auf Bewahrung und Förderung der sorbischen/wendischen Sprache und Kultur im öffentlichen Leben und ihre Vermittlung in Schulen und Kindertagesstätten wird gewährleistet.“ und in Absatz 4: „Im angestammten Siedlungsgebiet des sorbischen/wendischen Volkes ist die sorbische/wendische Sprache in die öffentliche Beschriftung einzubeziehen.“
Die valencianische Verfassung (Artikel 6) gibt den zwei Amtssprachen Spanisch und Valenciano Verfassungsrang.
Die beiden Schilder an Amtsgebäuden im Foto hier neben belegen exemplarisch, wie die jeweiligen Regierungen mit Zweisprachigkeit im Land umgehen.
Tatsächlich wird die Sprache der valencianischen Mehrheit nicht nur an Amtsgebäuden von Amtsträgern mißachtet. Beschilderungen auf Straßen beispielsweise verhöhnen sozusagen die Spanischsprecher.
„Why is 'Catalonia Conflict' even allowed to post here? - or anywhere?“ fragt Carolina empört aus Benissa. Ich weiß nicht, ob Carolina ein Fan der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Zensursula) ist, die für ganz Europa eine noch strengere Zensur fordert, als sie leider schon in den meisten Mitgliedsstaaten und in den sogenannten sozialen Medien herrschen.
Ich interpretiere diese Frage mal positiv und hoffe, sie meinte das nur in Bezug darauf, dass ich in der Comunidad Valenciana und nicht in Katalonien lebe.
Das nebenstehende Foto, dass ich schon 2019 aufgenommen habe, gibt bei genauer Betrachtung schon eine erste Antwort. Mit der Forderung der Demonstranten: 'Nein zu den katalanischen Ländern' (NO A LOS PAISES CATALANES) wehren sie sich gegen die Vereinnahmung durch die Politik der katalanischen Separatisten.
Ich lernte damals und notierte auf meiner web-site zu nebenstehender Karte der katalanischen Separatisten: „Die katalanische Regierung exportiert den Konflikt, in dem sie in den anderen Gemeinschaften, in den Katalanen leben, alle Bestrebungen zur Zerstörung Spaniens unterstützt. Ein wichtiges Instrument ist dabei die Errichtung einer Sprachdiktatur, die sich nicht scheut, die gleichen Mittel wie Franco einzusetzen.“ Heute würde ich das nicht mehr so formulieren.
Nebenstender Screenshot zeigt ein satirisches Protestvideo gegen eine Rede über spanische Sprachen von José Manuel Albares, Minister des Äußeren, der EU und Kooperation. Tatsache ist, statt Katalanen leben In Valencia Valencianer, auf den Balearen Mallorquaner, Menorquiner usw. Das habe ich inzwischen gelernt und habe auf meiner web-site auf verschiedene Artikeln berichtet, wie die katalanischen Separatisten Institutionen in Valencia mit Geld fördern. Vor allem, um die Sprache Valenciano zu katalanisieren. Es ist, als ob die bayrische Regierung Geld an hessische Institutionen gäbe, damit die den hessischen Dialekt bayerisieren. Die Separatisten sind sich wehr wohl bewußt, wie Sprachenkonflikte helfen können, Spanien zu zerstückeln.
Am 3. Oktober erschien nebenstehender Artikel mit dem Titel: „Das Parlament erhält eine Initiative zur Erklärung der Unabhängigkeit des Landes Valencia“ und den Untertiteln: „Der Generalsekretär der 'Katalanische[!] Solidarität für die Unabhängigkeit' und ein Aktivist von Compromís [Grüne] gehören zu den Befürwortern der Initiative.“ und „Nach der Annahme durch das Präsidium sind 10.000 Unterschriften erforderlich, um im Parlament debattiert zu werden.“
Dieser Separatismus erinnert viele Spanier an Jugoslawien. Der Krieg in den 1990ern kostete vermutlich 200.000 Tote. Und wofür? Dafür, dass alle Ex-Jugoslawen heute Mitglieder der EU sind oder werden wollen? Damals spielten Sprachen und Religionen auf der Oberfläche der Kriegsparteien eine wichtige Rolle. Ich frage mich, ob Sprachen genauso gut für einen Krieg taugen wie Religionen.
Wie auch immer. Ein Ergebnis hat die Spaltung Jugoslawiens gebracht. Die US-Regierung konnte ihre weltweit mehr als 700 Militärbasen um Camp Bondsteel im Kosovo erweitern. Das ist wie ein unsinkbarer Flugzeugträger und die Spannungen zwischen Serbien und den Kosovo-Albanern können je nach Bedarf erhöht oder als Welt-Polizist reguliert werden.
Muss der Sprachenzwang bleiben, damit im Bedarfsfalle in Spanien das jugoslawische Modell ausgeführt werden kann? Ich weiß es nicht und ich habe auch nicht auf alles eine Antwort.
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