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Schon der alte Grieche Heraklit wußte: „Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluß gehen“. Die einzige Konstante in unserem Universum ist die immerwährende Änderung und die Evolution lehrt uns: Nur wer sich anpaßt, überlebt. (Survival of the fittest)
Das wird in Frankreich bezüglich der Sprache nicht so gesehen. Dort wurde 1994 ein Gesetz zum Schutz der französischen Sprache[1] verabschiedet. Dieses Gesetz des damaligen Kulturminister Jacques Toubon wird von vielen Franzosen gerne als „Loi Toubon“ verspottet, weil es ausgesprochen so viel wie „Alles Gut Gesetz“ verstanden werden kann. Aber eben auch als Sprachzwang. Es gibt eine Menge regionaler Sprachen in Frankreich.
Nachdem in Artikel 1 festgestellt wird: Französisch „...ist das privilegierte Bindeglied der Staaten, die die frankophone Gemeinschaft bilden.“, heißt es danach u.a. in Artikel 2: „...die Verwendung der französischen ist Sprache obligatorisch. Die gleichen Bestimmungen gelten für alle schriftlichen, mündlichen und audiovisuellen Werbungen.“
Schon der Begriff „Fracophonie“ ist im Französischen nur im Schriftlichen unterscheidbar. Wird das Wort klein geschrieben, bezieht es sich auf den französischen Sprachraum, groß geschrieben bezieht sich der Begriff auf die „Organisation internationale de la Francophonie“ (Internationale Organisation der Frankophonie), in der sich Frankreich - oder zumindest die französische Regierung - wohl auch heute noch - als „Schutz-und Ordnungsmacht“ in den ehemaligen französischen Kolonien begreift. Spricht man das Wort F/francophonie, verliert sich die Unterscheidung zwischen dem (ehemaligen) Kolonialreich und der Sprachzone.
Die Verwendung nicht-französischer Worte ist in der Werbung in Frankreich nur erlaubt, wenn die Übersetzung auf französisch in gleicher Größenordnung erfolgt. Die Verwendung von Fremdworten soll so verhindert werden. Wie wirksam sind diese Maßnahmen?
Französisch könnte man selbst als eine Mischsprache begreifen, vereinfacht gesprochen ist es eine lateinische Sprache mit lokalen Einflüssen aus der Nachrömerzeit, auf die stets Einflüsse aus allen Ländern der Welt einwirkten. Die Académie française, Hüter der französischen Sprache listet [2] selber viele Fremdworte auf und versucht, dafür französische oder französische klingende Bezeichnungen vorzuschlagen. Es ist nicht überraschend, das heute der englische Anteil bei den Fremwörtern überwiegt. Wer französisch spricht, weiß beispielsweise, dass trotz aller Bemühungen „le weekend“ nicht mehr aus dem französischen Sprachschatz zu verbannen ist.
Wer mit französisch-sprachigen Wallonen aus Belgien spricht, wird überrascht sein, dass „Neunundneunzig“ dort nicht „Quatre-vingt-dix-neuf“, also „Vier-Zwanzig-Zehn-Neun“, sondern schlicht „Nonante-neuf“, also „Neunzig-Neun“ heißt. Offensichtlich läßt der Einfluß der Académie française schon wenige Meter hinter der Grenze nach.
Das Loi Toubon wird den Prozess der Entwicklung der Sprache entlang der Bedürfnisse der Menschen, die französisch sprechen, nicht aufhalten können. Darauf weist auch die Tatsache hin, dass es kanadisches Französisch und Québec Französisch gibt. Es sind französische Sprachen oder Dialekte, die sich sowohl innerhalb Kanadas unterscheiden und als auch zur französischen Sprache in Frankreich. Quebecer verwenden witzigerweise französische Wörter (z.B.: arrêt, magazinage, stationnement, fin de semaine), in denen die Franzosen englische Wörter übernommen haben (eben: stop, shopping, parking, week-end). Aber meistens ist das Gegenteil der Fall. Kanada spricht zum überwiegenden Teil Englisch und die Nähe der USA tut ihr übriges.
Auch die Quebecer Regierung hält es deshalb offenbar für nötig, die Quebecer vor diesem Einfluß zu schützen: Im Internet kann man auf dem Formular der „Site de l'Office québécois de la langue française“[3] also auf der Seite des Quebecer Büros für die französische Sprache Klagen gegen die Verletzung des Gesetzes zur französischen Sprache vorbringen und es werden detailliert die Folgen und der Ablauf beschrieben, die eine solche Klage mit sich bringt. Kurios in diesem Zusammenhang ist die Internet-Adresse dieser Sprachschutzbehörde, die das Kürzel „faq“ (für das englische „frequenty asked questions“) enthält. Der polizeiliche Schutz von Französisch funktioniert nicht einmal im eigenen Haus. Es war eben schon immer schwierig, den Lauf der Geschichte aufzuhalten.
Immerhin wird niemandem in Kanada Englisch aufgezwungen. Das scheint es zu erleichtern, dass immer mehr Quebecer Englisch statt Französisch als Mittel der Kommunikation wählen.[4]
Ähnliches berichten auch Schweizer, die im Umgang mit fanzösisch sprechenden Landsleuten schnell auf Englisch umschalten, wenn es ihnen schwer fällt, sich auf französisch klar verständlich zu machen.
Insofern war es nicht überraschend, als man im Jahre 2015 las, „Frankreich gibt Kampf gegen englische Wörter auf.“[5] Im Artikel heißt es: „Mehr als 20 Jahre hat Frankreich sich per Gesetz gegen das Eindringen von Anglizismen gewehrt. Die jetzige Kulturministerin hält Maßnahmen für nutzlos. Fremde Wörter sind für sie eine Bereicherung.“
Bedenklich bleibt, dass Frankreich bis heute im Jahre 2019 die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen zwar unterzeichnet, aber noch immer nicht ratifiziert hat. Selbst wenn man meint, Französisch schützen zu müssen und zu können, sollten sprachliche Minderheiten doch das gleiche Recht in Bezug auf ihre Sprachen haben.
Das machte auch die Gesellschaft für bedrohte Völker deutlich, die 2005 gleich nach der Unterzeichnung der europäischen Sprachencharta durch die französische Regierung titelte: „Frankreichs Sprachminderheiten brauchen dringend Schutz“[6]
Die Welt ändert sich schnell und wenn das Eindringen von Anglizismen in Sprachen in den letzten Jahrzehnten der Normalfall war, mit dem Erstarken Chinas kann man sich fragen, wann die ersten chinesichen Wörter Einzug in die englische Sprache halten werden.
Es ist offensichtlich. Der Versuch, eine Sprache zu regulieren, ist schon schwierig genug, selbst da, wo es sinnvoll erscheinen könnte. Die heutige deutsche Generation bildet den Konjunktiv schon nicht mehr wie vor 40 Jahren durch Konjugation, sondern nur noch unter Verwendung von „würde“.
Noch schwieriger ist es mit dem Sprachzwang. Entweder man kann es mit brutaler Gewalt durchsetzen oder es scheitert. Das bedeutet, Sprachzwang und Demokratie vertragen sich so gut wie Feuer und Wasser.
Wo immer jemand der Meinung ist, er wolle eine bestimmte Sprache gebrauchen, soll er es tun dürfen und nicht diskriminiert werden. Wo immer eine Minderheit fordert, ihre Kinder mögen in der Muttersprache unterricht werden, solle das in den Fällen, wo es Amtssprache ist, ausnahmslos gewährt werden. Sprachverbote- und Sprachzwang können unter solchen Umständen nicht demokratisch sein.
Eine Schwierigkeit liegt natürlich in der Tatsache begründet, wenn Herrschende sich weigern, die Sprache einer bedeutenden Minderheit als Amtssprache anzuerkennen und natürlich ist auch ungeklärt, was eine bedeutende Minderheit ist. Wir kennen das aktuell aus Rumänien und Ungarn und in der Geschichte kennen wir das auch aus den USA, wo die Angelsachsen in die südlichen Staaten der USA einwanderten und weder Spanisch noch Französisch als Amtsprachen anerkannten, geschweige denn Sprachen der indianischen Ureinwohner. Nur eine Amstssprache zu haben, ist einerseits sicher ein Vorteil - auch für die Integration - andererseits ein Nachteil. Der „typische“ Ami ist einsprachig trotz der vielen Sprachen, die in seinem Land gesprochen und verstanden werden.
Richtig ist auch, dass Einwanderer in einen bestehenden Staat für eine funktionierende Integration wenigstens die oder eine der Amtssprachen lernen müssen. Wie sonst kann man an den politischen Entscheidungen teilhaben? Ein solcher Sprachzwang ist durchaus demokratisch gerechtferigt.
Wann müssen Minderheitssprachen als Amtssprachen anerkannt werden? Darauf gibt es keine fertige Antwort. Unter Verhältnissen, die einen demokratischen Umgang mit diesen Problem erlauben, kann das sehr unterschiedlich sein und wohl kaum in einem einzigen Aufsatz entschieden werden.
In diesem Sinne brauchen Sprachen keinen Schutz, sprachliche Minderheiten schon. Sogar sprachliche Mehrheiten, wie man leider in allen autonomen Regionen Spaniens sehen kann, wo „bestimmte Kreise“ der spanischsprachigen Mehrheit ihre Sprache aufzwingen wollen. Eine absurde Situation inmitten Europas.
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