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Die Ukraine sah in den letzten Jahrzehnten viele Herrscher, die ihre Ansprüche auch jeweils mittels eines Sprachzwangs durchsetzen wollten. Beispielsweise die Polonisierung der ukainischen Oberschicht wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Russifizierung ersetzt, einhergehend mit einem Verbot des Drucks ukrainischer Bücher. „Dass die ukrainische Sprache gegen Russifizierungstendenzen überlebt hat, führen einige Autoren auf die österreichische Nationalitätenpolitik zurück, die mit der Förderung des Ukrainischen die Polonisierungstendenzen konterkarieren wollten.“[1] 1876 verbot der Zar die ukrainische Sprache in der Öffentlichkeit und mit der Bezeichnung „Kleinrusse“ sollte der Beriff „Kleinpole“ ersetzt werden, der Begriff „Ukrainer“ schien gar nicht mehr zu existieren und die Tatsache, dass Ukrainer unter der einen Herrschaft (z.B. österreichisch-ungarisch) gegen Ukrainer unter einer anderen Herrschaft (russisch) kämpften, war kein einmaliger Vorgang. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Ukraine zwischen Polen und der UdSSR aufgeteilt.
Stalin, obwohl Georgier, war für seine starke bis repressive Russifizierung in der ganzen Sowjetunion bekannt und mit seinem Tod gab es bestimmte Lockerungen wie beispielsweise die Anerkennung von Regionalsprachen als zweite offizielle Amtssprachen.
Verschiedene Umfragen nach dem Ende der UdSSR ergaben verschiedene Ergebnisse bezüglich des Anteils derjenigen, die Ukrainisch als ihre Muttersprache angaben. Aber die überwältigende Mehrheit hat immer angegeben, dass sie sowohl Ukrainisch als auch Russisch gut sprechen. „Die Mehrheit der Einwohner der Ukraine sieht das Sprachproblem nicht als wichtig an: 2001 dachten nur 7%, dass es sofort gelöst werden müsse und noch 10 Jahre später bemerkten 70% dieses Problem überhaupt nicht.“[2]
Die relative Nähe von Russisch und Ukrainisch hat sogar eine Mischsprache hervorgebracht, die als Surzhyk bezeichnet wird.
1996 verabschiedete die Ukraine eine Verfassung, in der Ukrainisch als Amtssprache der Ukraine bestimmt wird. Darin heißt es: „Der Staat stellt die umfassende Entwicklung und das Funktionieren der ukrainischen Sprache in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens auf dem gesamten Gebiet der Ukraine sicher.“ und dass, „In der Ukraine ist die freie Entwicklung, Nutzung und der Schutz des Russischen und anderer Sprachen nationaler Minderheiten der Ukraine gewährleistet.“ [3] Details sollten in einem Gesetz geregelt werden, zu dem es aber nicht kam, weil Urteile des obersten Gerichts die verabschiedeten Gesetze hierzu nicht bestätigten. In den Folgejahren gab es bei diesen Entscheidungen einiges hin und her und bis zum Bürgerkrieg war nichts entschieden.
Mit dem Bürgerkrieg in der Ukraine trennten sich im Osten die Volksrepublik Lugansk und Donezk ab. Diese Republiken gelten als im wesentlichen nach Russland orientiert und werden auch von Russland unterstützt. Damit gibt es in der Praxis eine um den Osten „reduzierte“ Ukraine, die von Kiew aus regiert wird, sich nach Westen orientiert und von der USA und der EU unterstützt werden.
Der Versuch, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein ukrainisches Nationalgefühl zu erzeugen, hat dazu geführt, dass mehrere ukrainische Regierungen Ukrainisch als einzige Amtssprache in verschiedenen Formen immer wieder durchsetzen wollten, auch um Russisch zu verdrängen oder zu verbieten. Dagegen gab und gibt es immer wieder Proteste.
Die vorletzte Regierung unter dem Oligarchen Porochenko unter Beteiligung faschistischer Organisationen hatte den nationalistischen Kurs noch verstärkt und somit auch die Versuche, den Sprachzwang auszuweiten. Einige Publikationen melden deshalb einige gravierende Probleme für die russischsprachigen Bevölkerungsteile in der Kiewer Republik: „Die Ukraine entfernte Russisch komplett aus der High-School“ [4] Und in einem Falle [5]wird das Verbot der russischen Sprache in der Ukraine sogar als Nazismus angeklagt. Die Bilder der Jugendlichen, von diesen Zeitungen veröffentlicht, deren Münder durch Pflaster in ukrainischen Farben verschlossen sind, sagen mehr als 1000 Worte.
Der jüngst (2019) gewählte ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat erklärt, er strebe eine Politik der Versöhnung mit dem Osten an. Es bleibt abzuwarten, wie sich das weiterentwickelt und verständlicherweise hat die Sprachpolitik nicht die höchste Priorität.
Diese beiden Republiken entstanden auf dem Boden der Ukraine als Folge des Bürgerkriegs 2014 und die Bevölkerung dort ist überwiegend russisch-sprachig. Von daher ist in diesen beiden Republiken keine Diskriminierung des Russischen zu erwarten.
Ein Blick in die Verfassungen beider Republiken verrät jeweils in Artikel 10: „Die Amtssprachen der Volksrepublik Luhansk sind Russisch und Ukrainisch“ und „Die Amtssprachen der Volksrepublik Donezk sind Russisch und Ukrainisch.“[6]
Die Frage bleibt, ob trotz dieser gut klingenden Verfassungen die Sprecher von Ukrainisch irgendwelchen Diskriminierungen zu befürchten haben. Marco Leo Samm, Autor und Sohn einer multiethnischen baltischen Familie berichtet von seiner jüngsten Reise nach Lugansk: „Die ukrainische Sprache ist auch in den beiden Republiken präsent, aber natürlich ist es die russische die Sprache, die von den meisten verwendet wird. In der Luhansker Republik wird die ukrainische Sprache auch in den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen unterrichtet und verwendet sowie in kulturellen Bereichen. In der Donetzker Republik wird ukrainisch nicht mehr in den Schulen unterrichteten und verwendet, aber im normalen, wie im kulturellen Leben gibt es auch damit dort keinerlei Einschränkungen.“[7]
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