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Sprachzwang kann sogar existenzgefährdende Formen wie in einigen Ländern des Baltikums annehmen, wo während der Zeit der UdSSR Russen einwanderten (eingewandert wurden) und die heute als „sans papiers“ (Staatenlose) ohne Chancen auf Einkommen, Unterkunft etc. ihr Leben fristen müssen, weil sie nicht wie gefordert, die entsprechende baltische Sprache sprechen. [1]
Die Zahl der Sprachkonflikte alleine in Europa, seien sie in Belgien, Ungarn oder in der Nähe in der Türkei und Nordafrika ist immer wieder mit einer Politik des Nationalismus verbunden. Es wird Zeit, dass man sich in Erinnerung ruft, was Nationalismus eigentlich bedeutet. Im 19. Jahrhundert im Gefolge der französischen Revolution gegen den Feudalismus kam in Europa der Gedanke der Nation auf und eine wesentliche Komponente in der Nationenbildung war und ist neben gemeinsamer kultureller Standards, manchmal auch der Religion, eine einheitliche Sprache. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass die Kiewer Eliten auch in sofern konsequent handeln, als sie dafür gesorgt haben, dass die christlich orthodoxe Kirche gespalten wurde.[2] Es gibt jetzt eine ukrainische und eine russische orthodoxe Kirche. Aber da ist die Kiewer Regierung nur dem Beispiel Wladimir Putins gefolgt, der seinerseits die russische orthodoxe Kirche als Propagandaabteilung gebraucht, wie der Deutschlandfunk [3] meldet.
Nation ist nicht identisch mit Staat. Manche Nationen sind oder waren gespalten (beispielsweise BRD und DDR), andere Staaten bestehen aus mehr als einer Nation (beispielsweise Spanien) und es gibt auch nationale Minderheiten in einem Staat wie in Südtirol in Italien.
Nationen und moderne Staaten waren mit dem Kapitalismus enorme Fortschritte gegenüber dem Feudalismus. Aber inwieweit gilt das immer noch? Muss man sich angesichts einer sich ständig verändernden Welt fragen, was noch dienlich und was weniger nützlich ist? Nichts ist schließlich ewig, das gilt auch für Nationen und Staaten.
Staatliche Regelungen können in einer Welt des Globalismus durch gesetzliche Regelungen immer noch einen bestimmten Schutz bieten, beispielsweise bei den Rechten von Lohnabhängigen, Gewerkschaften, Rechten an Grund und Boden, Gesetzen für die Umwelt, Verbraucherschutz etc. Aber wieso müssen Staaten oder Nationen Sprachen schützen? Warum müssen Staaten oder Nationen nur eine Sprache haben?
Warum kann man nicht mehrere Sprachen gleichberechtigt als Amtssprachen haben, wenn es entsprechende Majoritäten/Minoritäten gibt? In Schweden und Deutschland haben Minderheiten einen anerkannten Status ihrer Minderheitensprachen. Das wird auch gleichberechtigt angezeigt.
Warum sollen Schüler nicht zuerst in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, selbst wenn die Muttersprache nicht mit der hauptsächlich gesprochenen Sprache in einer Nation oder einem Staat übereinstimmt? Es ist unbestreitbar, dass man am besten in seiner Muttersprache lernt. Wer nicht in seiner Muttersprache lernen kann, ist diskriminiert.
Das Argument, die Ausbildung von Schülern an einer Schule in zwei Sprachen sei zu kostenintensiv, kann zumindest in der wohlhabenden EU nicht gelten, auch nicht bei den EU-Mitgliedern, die nicht über so viele öffentliche Mittel verfügen. Wenn Griechenland 2017 2,4% seines Bruttoinlandsproduktes für Rüstung ausgab und Deutschland im Jahre 2018 „nur“ 1,23%, so wird deutlich, dass es einer politischen Entscheidung bedarf, wie die Steuern verteilt werden sollen.
Sprache, verbal oder non-verbal, ist zunächst nichts anderes als ein Instrument der Kommunikation. Ein Instrument wie ein Hammer, ein Auto oder ein Computer. Menschliche Kommunikation ist besonders durch verbale Kommunikation gekennzeichnet und wird dadurch zu einem ganz besonderen Instrument.
Die Besonderheit menschlicher Sprache besteht darin, dass sie Gefühle vermittelt, ganz ähnlich wie Musik. Poeten, Autoren usw. benutzen Sprache wie Bilder und tatsächlich können Worte Bilder in uns hervorrufen.
Um zu verstehen, was Sprache ist, hilft es, sie ganz nüchtern zu betrachten, denn Sprache und Denken sind stark miteinander verknüpft. selbst wenn man zunächst nur grübelt, also keine konkreten Gedanken hat, erst das Kleiden der Gedanken in Worte erlaubt uns, zu verstehen. Aber der Prozeß funktioniert auch anders herum. Worte prägen unser Denken.
Rund 30% aller Sprachen kennen kein „rechts“ oder „links“. Der Linguist Stephen Levinson berichtet z.B. über eine Begegnung mit einem australischen Aborigine, der zu ihm sagt: „Pass auf, da läuft eine Horde Ameisen über deinen südlichen Fuß!“ [1]
„50 Wissenschaftler haben in den vergangenen 10 Jahren unter seiner Leitung 20 Sprachen in 15 Ländern auf den Zusammenhang zwischen räumlichem Vokabular und Raumorientierung untersucht.“[2] Diese Tatsache hat bereits dazu geführt, dass Hirnforscher untersuchen, ob auch Menschen einen rudimentären Magnetsinn, ähnlich wie viele Tiere haben. Davon einmal abgesehen zeigt dieses Beispiel aber deutlich, wie Sprache uns selbst in den Raum stellt. Mit „rechts“ und „links“ begreifen wir die Welt als etwas um uns herum, wir selbst sind der Mittelpunkt. Mit den 4 Himmelsrichtungen begreifen wir uns eher als etwas, das sich in dieser Welt befindet.
Inwieweit das mit stärkerem oder schwächeren Egozentrismus zu tun hat, mögen andere beurteilen. Dieses Beispiel macht sehr deutlich, wie Denken unsere Worte, unsere Sprache formt und wie sehr Worte und Sprache auf unser Denken rückwirken.
Diese These wird oft gerne vorgetragen. Daraus leiten manche folgende Forderungen ab:
* dass man die Sprachen schützen müsse,
* dass Sprachen der Reichtum einer Nation seien,
* dass die verschiedenen Sprachen gleiche Rechte haben müssten,
* dass Sprachen das Recht haben, ihren rechtmäßigen Platz in ihrem Territorium einzunehmen,
* dass Sprachen nicht verloren gehen dürfen,
* dass man Sprachen verteidigen müsse.
Eine solche Position übersieht aber trotz der Besonderheiten von Sprache, Sprache bleibt ein Instrument und Instrumente oder Werkzeuge werden nicht geboren, leben und sterben nicht. Genau deswegen gilt für Sprachen wie für jeden Hammer, jede Zange:
* sie müssen (und können) nicht geschützt werden
* viele Sprachen bilden nicht notwendig einen nationalen Reichtum
* sie haben keine Rechte
* sie besitzen und besetzen kein Territorium
* Sprachen dürfen und gehen verloren
* Sprachen müssen (und können) nicht verteidigt werden.
Nehmen wir das Beispiel des Hammers. Zunächst war es nur ein Faustkeil. Mit der technischen Entwicklung hat er immer spezifische, angepaßte Formen gefunden. Heute gibt es Gummihammer, Zimmermannshammer, Preßlufthammer. Die Diversität der Hämmer ist so groß, dass viele Bezeichnungen dafür nur in der jeweiligen Fachsprache existieren. Das heißt, ein Instrument wurde von den Menschen immer wieder an praktische Bedürfnisse angepasst. Sicher gibt es auch Hammerformen, die heute nicht mehr gebraucht werden und für die deshalb auch das entsprechende Wort verschwunden ist.
Das ist mit Sprachen nicht anders. Sie werden entlang der menschlichen Evolution erfunden, angepaßt und verschwinden wieder. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass Sprachen eine starke gefühlsbetonte Ursache und Wirkung haben. Auch menschliche Gefühle ändern sich. Viele Menschen haben patriotische Gefühle. Vor 300 Jahren gab es keinen Patriotismus, weil es keine Nationen gab. Werden Nationen eines Tages aussterben, wird auch der Patriotismus und mit ihm die Worte dafür aussterben.
Moderne Deutsche würden das Deutsch, das Goethe sprach, nur mit Mühe verstehen, das Gleiche gilt für Engländer mit dem Englisch von Shakespeare.
Linguisten fragen sich schon länger, ob die englische Sprache überhaupt noch den Engländern gehört. Das englisch Empire, das einst für die Verbeitung der englischen Sprache gesorgt hatte, fand mit dem 2. Weltkriegs sein Ende und wurde weithin von den USA, die selbst Englisch Sprecher sprechen, abgelöst. Englischsprecher sind weitgehendst tolerant im Umgang mit Ihrer Sprache.
Das ist anders bei den Franzosen, die ähnlich wie die Briten ihr Kolonialreich an das moderne US-Imperium verloren haben, was sehr deutlich in Vietnam zu sehen war. Möglicherweise ist man sich bei den französischen Eliten eher dieses Verlustes bewußt als in Großbritannien und versucht deshalb, wenigstens die französische Sprache zu bewahren als Erinnerung an eine „Grande Nation“. Ist es ein sentimentaler Versuch, das Rad der Geschichte anzuhalten und eine Sprache „am Leben“ zu halten?
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